Mauersegler-Erzählung Folge 6 (August) Abflug in den Süden
Heute war es so weit: Unser jüngstes Männchen war nicht mehr im Nest!
Nachdem seine beiden Geschwister schon vor ein paar Tagen auf und davon flogen,
hat er es auch geschafft. Diese Jungvögel sind so abenteuerlustig; sie
finden nicht einmal Zeit, ihren Eltern mitzuteilen, dass mit ihnen alles in
Ordnung ist und sie sich allein zurecht finden. Zusammen mit anderen
Gleichaltrigen machen sie wilde Flüge und verbessern ihre Flugkünste.
Mir ist schon ein bisschen wehmütig, dass sie so schnell fort sind. Die
waren so brav, mir war es fast unheimlich. Nur ganz selten musste ich Streit ums
Futter schlichten. Da war ich ganz anders als Kind, immer vorlaut und
aufsässig. Aber zum einen ist es ein Trost, dass sie gesund aufgewachsen
sind, und andererseits haben wir Alten nun wieder eine etwas ruhigere Zeit. So
können wir noch viele FlügeinderwarmenSommerluft unternehmen und deine schöne Stadt
bewundern.
Wir haben oft Menschen in Gruppen beisammen stehen gesehen, die lachten und mit
ihren Händen auf uns deuteten. Manchmal machten wir uns einen Spaß
und stürzten uns dicht in ihrer Nähe in die Tiefe, um dann schnell
wieder davon zu fliegen. Wir sind aber nicht so unartig wie unsere plumpen
Nachbarn, die Tauben. Die können kaum richtig fliegen, picken den ganzen
Tag am Boden herum und lassen immer wieder weiße Kleckse fallen. Was
für ein trauriges Dasein! Da macht es um so mehr Freude, hoch in die Luft
aufzusteigen und endlos lang zu fliegen. Wirklich endlos wir werden jetzt
die ganze Zeit in der Luft bleiben und nach Süden fliegen, um dort auch
weiter zu fliegen oder zu schweben, bis wir wieder zum Brüten nach Norden
ziehen. Unsere Stummelfüßchen brauchen wir dabei wirklich nicht, nur
ganz selten müssen wir uns an einer Felswand festkrallen.
Viele von uns konnten erfolgreich bei euch brüten und Kinder groß
ziehen. Wir meinen ja, dass es mehr Brutmöglichkeiten gab als im letzten
Jahr, obwohl wir erst einmal unseren Schrecken bekommen hatten, weil unsere
frühere Brutstätte weg war. Es gibt aber offenbar viele Menschen, die
sich für uns begeistern und sich für uns einsetzen. Dafür
möchten wir uns bei euch bedanken und gerne im nächsten Jahr wieder
kommen.